Studienfahrt nach Krakau und Auschwitz (10.18. Oktober 2015) Geschichte LK frau Sachse
Aufgrund der im Lehrplan für Hessen bestimmten Themen - zu denen auch die Judenverfolgung und -vernichtung durch die Nazis zählt- hat unser Geschichte-Leistungskurs der Q3 der Lichtenberschule in Darmstadt beschlossen, die geplante Studienfahrt zur Vertiefung dieser Themen zu nutzen.
Daher sind wir vom 10. bis zum 18. Oktober dieses Jahres nach Krakau und Auschwitz (Oswiecim) gefahren. Unterstützt wurden die Programmkosten durch den Verein "Gegen Vergessen für Demokratie" und die FRAPORT-AG.
Die dreieinhalb Tage in Krakau waren im Vergleich zu den Tagen in Auschwitz eher "normale" Exkursionstage. Bei Schnee und langen Stadttouren haben wir viele neue Informationen zur Naziherrschaft in Krakau bekommen. Ich persönlich war davon nicht geschockt - eher haben sie bei mir eine bereits bekannte Abescheu gegenüber den Verbrechen der Nazis hervorgerufen.
In dem Museum "Schindlers Fabrik" haben wir gelernt, wie die Juden in der Zeit der deutschen Besatzung in Krakau gelebt haben. Dies war für die Zeit nur eibnes von vielen Beispielen. Das Prinzip der langsamen und dann aber immer direkteren Diskriminierung, Ausgrenzung, Entrechtung, Vertreibung, Verfolgung und Vernichtung der Juden in Polen auf dem Weg über Gesetze, Ghettos, Arbeitslager und Vernichtungslager, wie man es in dem Museum gesehen hat, kann man auf ganz Polen anwenden.
In dem Museum konnte man unter anderem auch sehen, was Oskar Schindler für die ca. 1.100 Juden getan hat und wie lange die Liste der von ihm geretteten Personen am Ende war. Vorbereitet hatten wir uns davor auf der 14-stündigen Busfahrt nach Krakau, indem wir den Film "Schindlers Liste" geschaut haben und dazu noch einen Vortrag über Schindler und sein Leben gehört haben.
Des weiteren haben wir auf der Studienfahrt einiges über die Geschichte Krakaus gelernt. Wir waren in einem Museum im Untergrund von Krakau, wo uns durch sehr ansprechende Ausstellungsteile gezeigt wurde, wie die im Krakauer Mittelalter gelebt haben. Wir haben uns die Marienkirche angeschaut. Wir haben das Viertel "Nowa Huta" angeschaut. Dies ist mittlerweile ein Stadtteil von Krakau, sollte aber einst DIE kommunistischste Musterstadt, die mit ihrem Stahlhüttenkombinat den Gegensatz zur stolzen Bürgerstadt darstellt, werden. Wir haben uns das jüdische Viertel Kazimierz angeschaut und auch den jüdischen Friedhof und die Synagoge.
Man merkt durchaus noch heute, wie die Nazis zur damaligen Zeit die Juden nicht nur als Personen vernichten wollten. Alles, was das jüdische Leben damals ausgemacht hat, wurde zerstört, lächerlich gemacht oder verpönt. Der jüdische Friedhof zum Beispiel wurde von den Nazis zerstört und erst nach dem Krieg wieder aufgebaut. Jedoch konnten die Leute damals nicht mehr genau die selbe Ordnung herstellen, da die jüdischen Grabsteine keine genauen Daten und Namen beeinhalten.
Das gleiche Phänomen wurde uns auch in der heutigen Kleinstadt Auschwitz gezeigt. Auf dem jüdischen Friedhof wurde von den Nazis ein Löschteich und Bunker gebaut. Die Grabsteine wurden zur Bepflasterung der Straße verwendet.
Dies zeigt genau - wie das KZ - die unglaubliche Irrationalität, Grausamkeit und Paradoxie der Vorgehensweise der Nazis. Einer unserer Gäste - Prof. Dr. Gideon Greif aus Israel - sagte, dass es das schlechteste sei, was man tun könnte, dort eine Logik zu finden, da es dort niemals eine Logik gegeben habe. Dieser Satz hilft mir vor allem im Nachhinein sehr, das Gesehene in Auschwitz und meine Gefühle dabei zu verstehen und einzuordnen.
Gideon Greif ist ein Experte zum Thema Judenvernichtung und zur Geschichte der Juden algemein. Er kommt aus Israel (Tel Aviv) und hat auch Teile seiner Familie während des Holocausts verloren. Wä der Tage in Auschwitz hat er uns begleitet, Fragen beantwortet und das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz - den "Wartesaal des Todes" und die unfassbare "Todesfabrik" - anschaulich "erklärt".
Ein weiterer Gast unseres Kurses war Pierre Jablon aus Paris. Er hat auch einen Teil seiner Familie wärend des Holocausts verloren. Er selber wurde jedoch erst im März 1944 unter abenteuerlichen Umständen in Genf geboren. Durch das Stolpersteinprojekt in Darmstadt sind wir mit Pierre Jablon in Kontakt gekommen. Seine in Auschwitz ermordeten Verwandten haben damals in Darmstadt gewohnt, weshalb Stolpersteine für sie auf dem Bürgersteig vor der Heidenstraße 4 zu finden sind.
Die auseinandersetzung mit dem Thema Auschwitz begannen wir in der Stadt Oswiecim. Vor dem Krieg hatte die Stadt 14.000 Einwohner. 8.000 davon gehörten zur jüdischen Gemeinde. Heutzutage leben in dieser Kleinstadt knapp 40.000 Menschen. davon sind null Personen jüdischer Herkunft.
Von ca. zehn damals aktiven Synagogen ist eine übrig geblieben. Diese Synagoge wird nur genutzt, wenn Beispielsweise Besuchergruppen aus Israel kommen. Diese Angaben haben mich zutiefst geschockt und haben - wie oben schon geschrieben - gezeigt, wie stark das jüdische Leben vernichtet wurde.
Am nächsten Tag haben wir das Stammlager (Auschwitz I) besucht. Mithilfe einer fünfstündigen Führung der Polnischen Leiterin der Erinnerungsstiftung Auschwitz, Krystyna Olesky und Gydeon Greif wurde uns gezeigt, wie das Lager und der gesamte Komplex funktionier haben. Abgesehen von Auschwitz I bis III gab es noch 44 weitere Außenlager, was die unglaublichen Ausmaße der Grausamkeit zeigt. Aber acuh andere uns dargestellte Informationen haben mich angeekelt und die Perversion des Ganzen gezeigt. Beispielsweise war in einem der ersten Blocks ein Bordell für Häftlinge. Die Prostituierten, die dort arbeiteten wurden jedoch nicht aus dem Lager genommen, sondern aus Deutschland oder Polen geholt und von den Nazis bezahlt. Bestimmte Funktionshäftlinge bekamen Gutscheine für einen Bordellbesuch. Dadurch wurde der Wunsch bei Häftlingen geschürt, sich zu behaupten und "Gutes" zu leisten für die SS-Männerund die KZ-Aufseherinnen. Dies führte zu einer Hierarchie, die sich unter den Häftlingen aufbaute und dazu führte, dass die Häftlinge sich auch noch untereinander verletzten und demütigten.
Die Ausstellung zu den Blöcken des KZs war meiner Meinung nach sehr gut gemacht. Die meisten Teile haben mich - auch durch viele Touristen und dadurch, dass es ein Museum war nicht wirklich auf emotionaler Ebene Getroffen - wider Erwarten.
In dem teil der Ausstellung, in dem die Fundstücke aus dem sogenannten "Canada-Lager" ausgestellt wurden, war ich emotional hingegen tief getroffen. Vor allem der erste Anblick der vielen Kilo Haare und die ausgestellten Babykleidung und Schuhe waren verstöhrend. Immer und immer wieder habe ich mich gefragt, wie Menschen so etwas tun können und ob ich mich nicht eher in einem Mueum befinde, das eine Dystopie zeigt.
Sehr "schön" fand ich die intergrierte "Shoa"-Ausstellung, die am Eingang mit einem jüdischen Gebet für die Opfer des Holocausts begann. Das Gebet war sehr berührend und man hat es auch noch im nächsten abgedunkelten Raum gehöhrt, in dem Filmausschnittevom jüdischen Leben in Polen vor dem Krieg gezeigt wurden. Das alles war eine tolle Installation, deren intelligente Kombination der Inhalte rund um die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in vielen Ländern der Welt mich sehr traurig gemacht hat.
Das war aber nur ein kleiner Teil der gesamten Grausamkeit und Abscheulichkeit, die das gesamte Lager zeigte.
Stärker als das erste Lager hat mich das Todelager beziehungsweise Vernichtungslager Auschwitz-II-Birkenau getroffen. Dieses hat gezeigt, wie industriell die Vernichtung der Juden sogenannter Asozialer, Behinderter, Homosexueller und Sinti und Roma von statten ging. Birkenauliegt noch etwas weiter außerhalb als das Stammlager und ist nicht so sehr wie ein Museum aufgezogen, wie das Stammlager. Nur einige Informationstafeln und Bilder, welche die Situation wärend des Krieges im KZ zeigten, erinner daran, dass es sich um eine Art Mudeum handelt.
Die Kremoratorien, in denen Tag für Tag tausende Menschen verbrannt wurden, waren noch von der SS selber zerst%ouml;rt worden; die Gaskammern und Auskleideräme unten drunter waren freigelegt. Ein beeindruckender und verstörender Anblick.
Die Frauenbaracken aus Stein haben als einzige noch gestanden. Die Männer-; Familien-; und Kinderbaracken aus Holz wurden nach dem Krieg von Bewohnernum Birkenau herum beispielweise als Feuerholz oder Baumaterial verwendet.
Auf einer Planke mit ca. drei bis vier Metern Breite mussten sechs bis sieben Frauen auf nachtem Holz schlafen. Kranke und aus anderen Gründen schwache Frauen mussten auf der untersten Ebene auf Pflasterstein schlafen. Diese Ebene hatte eine Höhe von ca 70cm, war dunkel, kalt und es zog durch die Mauern hindurch. Hier zeigte sich demnach auch die von Gideon Greif erläterte Hierachie, die sich unter den Häftlingen aufbaute. Die stärksten durften ganz oben schlafen.
Als nächstes gingen wir zu dem Gebäude, in dem die für Sklavenarbeit selektierten Häftlinge registriert wurden, sich auskleiden mussten und desinfiziert wurden. Hier ist noch fast alles Original und ziemlich bedrückend.
Wir gingen den Gang, den damals auch die Häftlinge im Vorzimmer des Todes gehen mussten. Am Ende sind in dem letzten Raum Fotografien ausgestellt, die in dem Lager nach dem Krieg gefunden wurden. 600 Personen wurden auf den Fotos identifiziert, acht Familien werden vorgestellt. Frau Olesky hatte dieses Forschungsprojekt mich umgesetzt.
Abends hat ein Teil des Kurses an einem Workshop über den berüchtigten SS-Arzt Dr. Josef Mengele grausame Informationen entnehmen können. Mengele hat sich vor allem Zwillingen "angenommen" und mit ihnen Untersuchungen und Experimente durchgeführt. Am Ende, bei der Liquidierung des Lagers, als er die Zwillinge, die er "meine Lieblinge"nannte, im Stammlager unterbringen wollte, dies aber nicht schaffte, erschoss er die Kinder eigenhändig. Es gibt ergreifende Berichte von Überlebenden dieser pseudomedizinischen Experimente.
Alles in allem kann man sagen, dass die Reise - vor allem nach Auschwitz - zwar ein aufwühlendes Erlebnis war, aber nicht so stark, wie ich zuvor befürchtet hatte. Ich hatte sehr viel Respekt vor dem, was uns bevorstand. Wir haben aber das ganze Thema auf einer sachlichen und trotzdem angemessenen emotionalen Ebene behandelt. Der ganze Kurs ist mehrmals sehr ernst und intensiv ins Gespräch gekommen. Dies hilft nicht nuir das ganze Thema gut zu verarbeiten, sondern auch den Kurs besser kennen zu lernen. Dadurch wurde es uns meiner Ansicht nach auch möglich, aus der Abschlussfahrt so viel Gutes, wie nur möglich herauszuholen. Und auch, wenn die Intensität des Erlebten vor allem gegen Ende zunahm und es auch anstrengend wurde, habe ich unsere Fahrt als sehr positiv empfunden.
Text von Käte Zierhut, Lichtenbergschule Darmstadt, 7.11.2015